Die deuschen Kolonien in Bessarabien Auf dem bei der Ansiedlung zugewiesenen Land, dem "Kronsland", wurden 25 Muttergemeinden angelegt (einschließlich die Kolonie Schabo). jede Familie erhielt "eine Wirtschaft Land" ( 60 Deßjatinen) und das aller-notwendigste Material zum Bau eines "Kronshäuschens" nebst Inventar in bescheidenem Ausmaße. In den meisten Fällen war der Anfang eine Erdhütte und das "Kronshäuschen" der Übergang zu dem Kolonistenhause späterer Jahre. Die Schicksale der einzelnen Muttergemeinden wolle man aus den Gemeindeberichten ersehen. Im Siedlungsgebiet der deutschen Einwanderer entstanden von 1814 bis 1842 folgende Gemeinden: Gründungsjahr Gemeinde Anzahl der Familien Landmenge 1814 Tarutino 136 8182 1814 Borodino 119 7148 1814/15 Krasna 112 6910 1815 Klöstiz 133 7997 1815 Kulm 108 6460 1815 Leipzig 122 7346 1815 Malojaroslawetz 1 138 8250 1816 Arzis 124 7447 1816 Brienne 82 4914 1816 Beresina 140 8449 1816 Paris 119 7141 1816 Fere-Champenoise 1 126 7560 1817 Teplitz 100 6000 1821 Katzbach 65 3880 1822 Sarata 101 6060 1823 Malojaroslawetz 2 69 4110 1823 Fere-Champenoise 2 63 3780 1825 Neu-Arzis 42 2505 1830 Gnadental 80 4800 1833 Friedenstal 88 5263 1834 Dennewitz 64 3860 1834 Lichtental 80 4800 1839 Plotzk 39 2364 1842 Hoffnungstal 85 5130 1822 Schabo-Kolonie 60 3600 Da in dem deutschen Siedlungsgebiet das Minorat in der Erbfolge maßgebend war, konnte nur der jüngste Sohn die Wirtschaft übernehmen, die übrigen waren auf die Erlernung eines Handwerkes angewiesen. Später drückte der Staat "ein Auge zu" und so begann bei der starken Vermehrung der deutschen Kolonisten eine rasche Zerstückelung der Wirtschaften. Seit 1860 trat ein förmlicher Landmangel ein - im übrigen Südrußland schon viel früher -‚ so daß sich in jeder der Muttergemeinden Landsuchende zusammentaten und im Süden und Südosten, im Südwesten und Nordosten von 1860 bis unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg sogenannte Tochtergemeinden gründeten. Diesen Weg, Luft zu schaffen, verdanken die Bessarabiendeutschen vor allem dem Dennewitzer Ansiedler Gottfried Schulz, der allein insgesamt 40 000 Deßjatinen Land aufkaufte und zur Gründung von Tochterkolonien abgab. Auch fanden sich noch Landaufkäufer im Maßstabe bis zu 1000 Deßjatinen, die das Werk von G. Schulz förderten. Die Tochtergemeinden unterschieden sich in solche, die auf gekauftem Land gegründet wurden und solche, die bis zum Ankauf Pachtgemeinden waren. Bis Ende des 19. Jahrhunderts entstanden durch diese selbständige Siedlungstätigkeit der "Mutter- oder Kronsgemeinden" 40 neue Gemeinden und von 1900 bis 1916 noch 22 Gemeinden durch Privatinitiative. Eine allerneueste Art von Gemeinden waren die sogenannten "Hektargemeinden"; der Name rührt her von der Zuteilung von je 6 Hektar pro Familie nach der Agrarreform vom 13. März 1920.
Durch die Agrarreform, bei welcher der Privatbesitz bis auf 100 Hektar enteignet wurde, verloren die Deutschen von der Gesamtfläche des genutzten Bodens von 354177 Hektar (4,4 Hektar auf den Kopf der Bevölkerung) 64 177 Hektar. Zugeteilt wurden an landlose Deutsche 8200 Hektar, so daß sich der Gesamtverlust auf 55 974 Hektar bezifferte (nach Dr. Stumpp). Wir unterscheiden zwei Arten von Hektargemeinden: die auf ehemaligem Pachtland, die schon Häuser und Gemeindeeinrichtungen wie Kirche und Schule hatten und als einzige Veränderung die Zuteilung von je 6 Hektar Eigenland erlebten, und die neugegründeten Hektargemeinden, die keinerlei wirtschaftliche Voraussetzungen mitbrachten. Die ersten 24 Hektargemeinden hatten es leichter, da die Voraussetzungen zu einem geordneten Gemeindeleben, Schul- und Bethaus, Lehrer und Gemeindeverwaltung vorhanden waren, während die neuentstandenen, abgesehen davon, daß sie vielfach mit fremdstämmigen Hektaranwärtern durchsetzt waren, nur mit Hilfe der Allgemeinheit eine Gemeinde bilden konnten. Bis zur Umsiedlung 1940 war dieses Ziel trotz aller Anstrengung der Kirchenbehörde noch nicht erreicht. Im ganzen bestanden bis 1939 13 Hektar-gemeinden dieser Art. - So rundet sich das Bild von der Gründung der ersten Gemeinden (25) bis hin zu den letzten auf die Anzahl von 157 ab, die Gutshöfe und Weiler mit inbegriffen. Dieses Bild sähe wesentlich anders aus, wenn außer der Gründung von Tochtergemeinden nicht noch ein anderes Ventil geöffnet worden wäre, die Auswanderung. Das Wachstum der deutschen Bevölkerung Bessarabiens zeigt die folgende Tabelle von Dr. Stumpp: 1827 9355 Seelen 1857 22330 Seelen 1858 24159 Seelen 1861 33501 Seelen 1890 42681 Seelen 1897 59998 Seelen 1919 l9000 Seelen 1930 80192 Seelen 1938 87641 Seelen Umgesiedelt wurden im Oktober 1940 93329 Seelen. Die deutsche Bevölkerung hat sich somit trotz Pest und Cholera verzehnfacht. Dieser große Zuwachs nötigte schon um 1857 zur Auswanderung, die niemals ganz aufgehört hat. Bis 1927, der letzten Auswanderungswelle, sind nicht weniger als 24 000 bis 26 000 Deutsche ausgewandert. Die große Auswanderung setzte 1874 ein, als im Gefolge der Aufhebung des Kolonistenstandes auch die Militärfreiheit aufgehoben wurde. In den Jahren 1902, 1910 und 1925 erreichte sie die höchsten Ziffern. Es wanderten bis 1939 aus nach: Nordamerika 11326 Seelen Südamerika 1898 Seelen Rußland (Sibirien) 2402 Seelen Kaukasus 1446 Seelen Rumänien 1342 Seelen Deutschland 354 Seelen In verschiedene Länder 402 Seelen Zusammen 19152 Seelen Das sind rund 10 000 Seelen mehr als in den Jahren 1814 bis 1842 eingewandert waren! |