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Aufhebung_des_Kolonistenstatus

Aufhebung des Kolonistenstatus und die Folgen

Im Jahre 1871 wurde mit der Aufhebung des Kolonistenstandes auch das Fürsorgekomitee aufgegeben. Über ein halbes Jahrhundert hat es gedient. Ohne diesen "Ansiedlungsstab" wäre die Entwicklung bessarabischer Kolonien nicht denkbar gewesen. Nun waren die Kolonisten den geltenden Staatsgesetzen unterstellt. Das Land der Gemeinde wurde Privatbesitz der einzelnen, konnte gekauft und verkauft werden. Die Kolonisten wurden "Ansiedler-Eigentümer". Aber die Nachteile dieser verlockenden Bezeichnung ließen nicht lange auf sich warten. Denn die Aufhebung des Kolonistenstandes zielte auf den Bruch der im Manifest vom 29. November 1813 gewährten Freiheiten ab. Schon nach drei Jahren erfolgte die Einführung des Militärdienstes (1874). Die Enttäuschung unter den Kolonisten war groß. Man mußte mit sieben Jahren Dienstzeit rechnen und, wenn die Kaserne im fernen Osten stand, reichte der Urlaub kaum zur Heimfahrt. Auch religiöse Bedenken beunruhigten die Eltern. Darum setzte eine Flucht nach dem Ausland ein, vornehmlich in die nach dem Krimkrieg 1856 an die Moldau abgetretenen Gebiete (die Bezirke Ismail, Bolgrad und Kahul). Auch die Auswanderung nach Übersee setzte schlagartig ein! Aber der um 1870 einsetzende Aufstieg der Landwirtschaft durch die Einführung "neuzeitlicher" Geräte und der Anbau von Winterweizen hob die Kolonisten über den ersten Schock hinweg. Der Militärdienst hatte für sich, daß die Staatssprache erlernt wurde und daß sich in dem Riesenreich der geistige Horizont erweiterte. Da die Kolonisten von Deutschland so gut wie abgeschrieben waren, wurde Rußland zur Wahlheimat, dieses um so mehr, als nie ein Gegensatz oder gar Haß seitens des russischen Volkes zu den deutschen Mitbürgern bestanden hat. Der gemeine Mann empfand gegenüber den Deutschen keinen Neid, im Gegenteil, er war ihm für die Erwerbsmöglichkeit dankbar, die er ihm bot. Um den Thron aber sah es seit Alexander III. (1881 bis 1894) ganz anders aus. Der Deutschenhaß der Panslawisten fiel dort auf fruchtbaren Boden und wurde von obenher systematisch geschürt und in maßgebende Stellen getragen. Die auswärtige Politik war nach Bismarcks Abgang durch die Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages ohnehin nicht deutschfreundlich. Die von dem Zaren ins Land gerufenen Deutschen wurden als Eindringlinge und Schädlinge an dem russischen Volkskörper verschrien. Diese Stimmung gewann vor allem in der Schulpolitik Oberwasser. Die russische Revolution 1905 rüttelte an dem Fundament des Zarenthrones. Der Zar wußte um die politische Zuverlässigkeit der deutschen Kolonisten in Rußland. Es schien, als ob sich der Thron auf die verliehenen Privilegien besinnen und mehr Freiheit geben wollte. Aber der Zerfall seiner Macht war nicht mehr aufzuhalten. In dieser Situation brach der Erste Weltkrieg 1914 bis 1918 aus. Vom ersten Tage an wurden die Deutschen eingezogen. Sie taten an allen Fronten ihre Pflicht. Sie wollen auch dankbar aller russischen Beamten und Militärs gedenken, die daheim und draußen den Deutschenhaß nicht mitmachten ihren Vätern und Söhnen an den Fronten und den Familien in der Heimat nach wie vor freundlich entgegenkamen. Aber das Versagen der Heerführer und die großen Verluste an der russischen Westfront brachte Erschütterungen; man suchte nach einem Sündenbock. Das Geschrei der Böswilligen drang bis zum Thron. Was lag näher, als die Deutschen im Lande als Verräter zu stempeln. Sie wurden größtenteils an die türkische Front versetzt. Gegen die Heimat aber wurden Maßnahmen ergriffen, die die völlige Vernichtung bedeuteten. Die Liquidationsgesetze vom 2. Januar und 13. Februar 1915 enteigneten den gesamten deutschen Besitz und sahen die Ausweisung in die östlichen Gebiete vor. Eine Propagandawelle des Hasses setzte ein, die in Städten wie Moskau (27. Mai 1915) zu Pogromen und Plünderungen führte. In dieser Zeit aber kämpften die Deutschen ihrem Eid getreu an der Front. Sie meuterten nicht. Daheim wurden die deutschen Schulen geschlossen und alle Lehrer eingezogen (August 1915). Die deutsche Predigt wurde verboten, die deutsche Presse eingestellt und wegen "Spionage" die Abschlachtung aller Tauben (Brieftauben!) angeordnet. Wo sich mehr als drei Deutsche versammelten, drohten harte Strafen verhängt zu werden. Die höchste Gefahr, die größte Not aber, entstand durch die Ausweisung und Verschickung, die bei den Deutschen in Wolhynien (weniger als 100 Kilometer von der Frontlinie entfernt) unter grausamen Methoden durchgeführt wurde. - Von den beiden Erlassen - unterteilt in vier Gesetze - beschränkt der zweite die Rechte der Kolonisten mit russischer Staatsangehörigkeit. Das dritte der Gesetze handelt vom Ausverkauf der Ländereien derselben, und das vierte enthält die Bestimmungen über deren Ankauf durch die Bauern-Landbank (nachzulesen bei Theodor Hummel: Hundert Jahre Erbhofrecht der deutschen Kolonisten in Rußland). (Siehe Artur Kräenbring, Heimat-kalender 1965, S. 33 ff.). Diese Gesetze galten in Bessarabien ebenso wie anderwärts, doch sind sie durch die Kriegsereignisse nur zum geringen Teil durchgeführt worden. Die Märzrevolution 1917 verhinderte die totale Vernichtung. Im März 1918 besetzten rumänische Truppen das Land, unter deren Schutz Bessarabien einen Landesrat mit dem Sitz in Kischinew bekam. Auf einem deutschen Kongreß wurde am 7. März 1919 eine Eingabe an den König zur Aufhebung der Liquidationsgesetze beschlossen. Die Aufhebung erfolgte am 6. Oktober 1919 (Dekret Nr. 42 36). Die Bessarabiendeutschen atmeten auf. Man schritt wieder hinter dem Pfluge her als Eigentümer des Bodens, ging an die Wiedereröffnung der Schulen und an die Neuordnung des kirchlichen Lebens. - Aber die Begeisterung wurde bald gedämpft. Die Agrarreform 1920/21 versetzte den Deutschstämmigen einen Schlag, von dem sich ein Teil nicht mehr erholt hat.

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